Im Interview mit
Martin Koller und Christoph Mayer,
Business Unit Think!
Think! Ist bekannt für seine nachhaltigen Schuhe aus Europa. „Made in Europe“ muss aber nicht automatisch heißen, dass die Produktionsbedingungen fair und das Produkt nachhaltig ist. Wie stellen Sie das bei Think! sicher?
Christoph Mayer: „Made in Europe“ liegt im Kern der Identität von Think! und ist aufgrund der kurzen Transportwege besonders wichtig für die Nachhaltigkeit. Die Produktions- und Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter:innen bei unseren Partnerbetrieben sind uns mindestens genauso wichtig wie bei uns in der Zentrale in Kopfing. All unsere Partnerbetriebe haben wir durch die Fair Wear Foundation auditieren lassen und besuchen diese selbst regelmäßig. Wir tauschen uns also direkt mit den Mitarbeiter:innen aus und stellen vor Ort sicher, dass die Produktionsbedingungen unseren Standards entsprechen.
Warum ist ein Schuh „Made in Europe“ besser, als ein nachhaltig produziertes Modell aus anderen Teilen der Welt?
Christoph Mayer: Der Transport von Materialien und fertigen Schuhen verursacht eine große Menge an Treibhausemissionen. Wir bei Think! haben uns im Rahmen des legero united luna Nachhaltigkeitsprogramms auch die Reduzierung jenes hohen CO2-Ausstoßes als großes Ziel gesetzt. Wir verwenden deshalb nur Materialien aus Europa und produzieren unsere Schuhe auch hier. Dadurch können wir sehr kurze Wege garantieren und einen großen Teil zur Reduktion des CO2-Ausstoßes beitragen.
„Made in Europe liegt im Kern der Identität von Think! und ist aufgrund der kurzen Transportwege besonders wichtig für die Nachhaltigkeit."
– Christoph MayerBusiness Unit Think!
Was braucht es, damit sich noch mehr Schuhhersteller einer nachhaltigen Produktion in Europa verschreiben?
Christoph Mayer: Hier ist der Druck der Konsument:innen gefragt! Je mehr Kund:innen danach fragen, wie und wo Schuhe produziert werden, desto stärker müssen auch andere Schuhhersteller über dieses Thema nachdenken. Nicht umsonst wird gerade das Lieferkettengesetz für Deutschland verabschiedet. Es ist einfach schade, dass es wieder ein Gesetz für etwas braucht, das in unseren Augen etwas ganz Selbstverständliches ist.
Wie kann man die ökologische Maxime in der Schuhherstellung mit den Bedürfnissen der Konsument:innen in Balance bringen?
Martin Koller: Das ist unsere tägliche Herausforderung! Beispielsweise verlangen inzwischen viele Konsument:innen vegane Schuhe. Wichtig ist für uns aber auch ein gutes Fußklima, ein hoher Tragekomfort, gute Qualität, Langlebigkeit und eine schadstofffreie, thermische Verwertung über den Restmüll. Das bringen vegane Schuhe nicht immer mit sich. All diese Faktoren bei der Schuhentwicklung zu berücksichtigen, ist nicht immer einfach. Hier eine Balance für Mensch und Umwelt zu finden, ist besonders schwierig. Das schöne ist jedoch, dass aufgrund der hohen Nachfrage immer mehr innovative Materialien und Lösungen auf den Markt kommen, mit denen wir an diesen Herausforderungen arbeiten können.
Es gibt Stimmen, die die Nachhaltigkeit von tierischem Leder in Frage stellen. Wie stehen Sie bei Think! dazu?
Martin Koller: Leder ist ein sehr schönes Naturprodukt. Wir vertreten den Ansatz der Nose-to-tail-Philosophie und verwenden für unsere Schuhe nur Leder, das als Abfallprodukt der Lebensmittelindustrie veredelt wird. Es werden also keine Tiere gezüchtet um unsere Leder herzustellen, sondern das gesamte Tier wird verwertet. Tierisches Leder ist außerdem angenehmer für das Fußklima, da es atmungsfähiger ist und bei der richtigen Pflege auch um ein Vielfaches langlebiger als synthetische Materialien.
Eines der größten Probleme in der Modebranche ist die konstante Überproduktion und immer neuen Kollektionen (Stichwort „Fast Fashion“). Wie handhaben Sie bei Think! dieses Problem?
Christoph Mayer: Wir produzieren ausschließlich auftragsbezogen und versuchen somit die Überproduktion zu vermeiden. Eine Kern-Philosophie von uns ist auch die Reparaturfähigkeit sowie die Langlebigkeit unserer Schuhe, die wir durch ein zeitloses Design und hochqualitative Materialien bieten können. „Slow Fashion“ ist hier unser Motto.
Beschränkt Sie der Fokus auf Nachhaltigkeit manchmal in der Kreativität, wenn Sie Schuhe designen?
Martin Koller: Vor 30 Jahren, als wir mit Think! begonnen haben, war es eine sehr große Herausforderung, die richtigen und auch schöne Materialien zu finden. Durch den allgemeinen Trend zur Nachhaltigkeit hat sich das Angebot aber glücklicherweise erweitert. Heute können wir aus dem Vollen schöpfen und sind nicht mehr eingeschränkt.
Welche Auswirkungen der Corona-Pandemie spüren Sie in Bezug auf das Kaufverhalten von Schuhen?
Christoph Mayer: Die Menschen kaufen bewusster ein und viele treibt es nach dem Online-Boom während der pandemiebedingten Lockdowns wieder in den Handel. Das freut uns sehr, denn wir sehen den stationären Handel als unseren wichtigsten Vertriebskanal. Die Beratung, die dort passiert, ist für Think! einfach unumgänglich und ein wichtiger Faktor in der Kaufentscheidung unserer Kund:innen.
Welche Entwicklungen erwarten uns zukünftig bei Think!?
Christoph Mayer: Wir sind einzigartig und werden auch nächste Saison wieder unsere Kund:innen mit schönen, individuellen Neuentwicklungen überraschen. Zeitlos, modern und anders.
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Das Interview mit Christoph Mayer und Martin Koller erschien erstmals in shoez 6/2022